Stanford - Vienna - Human Rights Konferenz "US-American and European Approaches to Contemporary Human Rights Problems"


Im Rahmen der Kooperation zwischen der Universität Wien und der Stanford University finden regelmäßig bilaterale Konferenzen statt. Prof. Norman Naimarks Forschungsprojekt „Austria in the Postwar World“  war die Initialzündung für die erste Konferenz im Jahr 2004, auf die zwei weitere 2006 und 2009 folgten. Die diesjährige Stanford-Vienna Konferenz führte MenschenrechtsexpertInnen zusammen, um die US-amerikanischen und europäischen Ansätze zu aktuellen Menschenrechtsproblemen zu besprechen. Die Konferenz, welche von der Abteilung für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Kooperation mit dem Boltzmann Institut für Menschenrechte und der Forschungsplattform „Human Rights in the European Context“ organisiert wurde, fand von 20.-22. Juni 2011 an der Universität Wien statt.

Nach einleitenden Worten der Vizerektorin der Universität Wien, Dr. Christa Schnabl, und von Prof. Manfred Nowak und Prof. Helen Stacy folgte die erste Podiumsdiskussion unter dem Vorsitz von Prof. August Reinisch zum Thema „Monitoring, Protection and Enforcement of Human Rights in Comparison – US & Europe“. Prof. Manfred Nowak zeigte nach einer Besprechung der Entwicklung der Menschenrechtsmechanismen in Europa den heutigen Stand und die Hauptherausforderungen im heutigen Europa auf. Dabei betonte er vor allem den problematischen Umgang Europas mit Nicht-EuropäerInnen. Prof. Christoph Grabenwarter beschrieb die historische Entwicklung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte, beleuchtete die Vor-und Nachteile des „Pilot-Judgement-Verfahrens“, wies auf die mit der hohen Arbeitsauslastung des Gerichtshofes verbundenen Probleme hin und führte Verbesserungsvorschläge an. Prof. Ursula Kriebaum besprach die Entstehung des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT). Dessen bedeutendstes Defizit sei das Fehlen zwingender Maßnahmen zur Durchsetzung der Empfehlungen. Somit seien das eindringlichste Mittel des CPT dessen öffentliche Statements. Karin Lukas legte die Entwicklung der Europäischen Sozialcharta dar, wies auf deren Besonderheiten hin und zog die Schlussfolgerung, dass es trotz fortdauernder Nichteinhaltung einige grundlegende Veränderungen gegeben habe und betonte die anhaltende Wichtigkeit des Dialogs. Jonas Grimheden besprach die Änderungen durch den Lissabonner Vertrag sowie die Beschaffenheit und Wirksamkeit der Agentur der EU für Grundrechte.

Mit Prof. Allen Weiner verlagerte sich der Schwerpunkt der Session auf die Vereinigten Staaten. Er sprach über die externen Dimensionen des Menschenrechtsschutzes, vor allem wie sich die Vereinigten Staaten im Vergleich zur EU sehen, ging auf die beschränkte Partizipation der Vereinigten Staaten an den internationalen Menschenrechtskonventionen ein und beleuchtete die Hintergründe für diese Haltung. Prof. Helen Stacy erörterte den Menschenrechtsdiskurs in den USA. Sie betonte die allgegenwärtige, vom Individualismus geprägte, sehr politische Rechtsdebatte und gab Beispiele aus dem US-amerikanischen Alltag, wie in Bezug auf das Gesundheitssystem, die Todesstrafe  und das Recht, Waffen zu tragen. Prof. James Cavallaro setzte sich mit den Kapazitäten und dem Potential der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) auseinander, vor allem mit dem Verhältnis zwischen den USA  und der Inter-Amerikanischen Kommission für Menschenrechte. Ihm zufolge hätten die Feststellungen der Inter-Amerikanischen Kommission insofern Einfluss, als sie vor allem durch medialen Druck und die Zivilgesellschaft politische Hebelwirkung entfalten würden.

Im Anschluss an die erste Sitzung fand eine Public Lecture mit dem Titel „US v. Europe – Human Rights Standards, Mechanisms and Policies“ statt, in welcher Manfred Nowak zum Schluss kam, dass im Bereich des nationalen Menschenrechtsschutzes Europa seit dem 2.Weltkrieg die führende Rolle übernommen habe, während die Vereinigten Staaten sich nur sehr widerwillig beobachten und kontrollieren ließen. In der Außenpolitik allerdings seien die USA weiterhin als „global player“ effektiver. Sowohl Helen Stacy als auch James Cavallaro bestätigten diese Entwicklung und betonten, dass die Vereinigten Staaten zwar reich an menschenrechtsrelevanter Rechtsprechung seien; in dieser würde allerdings auf die amerikanischen Bürgerrechte und nicht auf die internationalen Menschenrechte Bezug genommen werden. Dies führe zu Divergenzen in der Interpretation einzelner Rechte, wie z.B. dem Folterverbot. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte würden in den USA kaum eine Rolle spielen. Prof. Friedl Weiss wies auf ein Manko auf EU-Ebene hin: Der Zugang zum Rechtssystem sei bis dato bloß indirekt. Dies werde sich mit dem Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention ändern.

Am Dienstagvormittag beschäftigten sich die ExpertInnen mit dem bis dato noch sehr kontroversiellen Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect/R2P) anhand der aktuellen Vorkommnisse in Libyen. Prof. Irmgard Marboe setzte sich mit der umstrittenen Rechtsnatur der Schutzverantwortung und des Vetorechts der  ständigen fünf Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie dessen Missbrauch auseinander. Prof. Hanspeter Neuhold stellte fest, dass im Fall von Libyen der Sicherheitsrat seiner Schutzverantwortung gerecht geworden sei. Allerdings müsse man bedenken, dass leider in anderen Situationen, wie Syrien oder Saudi-Arabien, wohl eher die Realpolitik obsiegen würde. Prof. Heinz Gärtner sprach das Konzept des „gerechten Krieges“ an und warf die Frage auf, ob die Lage in Libyen überhaupt eine R2P-Situation begründe.  Allen Weiner führte die humanitäre Intervention in den Kosovo an und erklärte, dass die Vereinigten Staaten die Intervention als legitim und gerechtfertigt ansahen. Die Frage der Legalität sei nicht im Vordergrund gestanden. Seiner Ansicht nach handle es sich bei R2P nicht um eine eigenständige Rechtsgrundlage, um zu handeln, sondern um einen politischen Mahnruf. Dr. Stephen Xenaxis beurteilte die Schutzverantwortung von der praktischen Seite als Militärarzt.

Am Nachmittag sprachen die ExpertInnen über Corporate Social Responsibilty (CSR). Prof. David Brady analysierte das Thema von einer wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive, sprach von den unterschiedlichen Ansätzen und Motiven der Unternehmen. Karin Lukas Betrachtung konzentrierte sich auf die EU, deren Organe (Kommission und Parlament) antagonistisch handeln würden. Dr. Christina Binder erörterte die Schwierigkeiten bei der Umsetzung und beim Schutz von  Menschenrechten in Export Processing Zones, vor allem die Defizite im Bereich der Verantwortlichkeit und Haftung der Gastgeberstaaten, Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Am letzten Tag der Konferenz beschäftigten sich die TeilnehmerInnen mit dem Thema „Asyl, Immigration und Menschenhandel“. Mag. Margit Ammer skizzierte die Entwicklung des Asyl-und Immigrationsbereichs auf EU-Ebene sowie die wichtigsten menschenrechtlichen Herausforderungen. Mag. Joachim Stern behandelte die EU-Strategien im Bereich der Migrationspolitik nach dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages und führte an, dass neben einigen Verbesserungen viele wesentliche Rückschritte feststellbar seien. Maria Grazia Giammarinaro, OSZE-Sonderbeauftragte und Koordinatorin für die Bekämpfung des Menschenhandels, sprach über Menschenhandel, die faktischen Hintergründe und die Leichtigkeit, mit der diese Verbrechen begangen würden. Sie erwähnte die soziale Anfälligkeit von MigrantInnen Opfer von Menschenhandel zu werden und die Wichtigkeit, den Arbeitsmarkt und die Verantwortung der Wirtschaft in die Strategien zur Bekämpfung des Menschenhandels aufzunehmen. Prof. Katherine Jolluck beleuchtete die Situation von Frauen und Mädchen in Bezug auf sexuelle Ausbeutung in Osteuropa und stellte fest, dass, um eine echte positive Entwicklung zu erlangen, das Engagement der Regierungen und der Gesellschaft tiefer gehen müsste.